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Der Empath

Veröffentlicht am 22.04.2018

Ich schreibe ja deutlich mehr als ich veröffentliche. Geschichten, die weder meinen Ansprüchen noch deren meiner persönlichen Lektorin (meiner Gattin) genügen, habe ich früher einfach gelöscht. Mittlerweile landen sie in einem Verzeichnis namens "Übungen". Hier landete auch diese Geschichte aus dem Dezember 2017. Gut drei Monate später hatte ich die Idee, wie ich diese Geschichte umbauen kann, um sie zu retten.

 

Und hier nun die ersten 500 Worte. Die vollständige Geschichte findet ihr als Download unter dem Menüpunkt Kurzgeschichten.

Es war typisches Aprilwetter. Professor Hammer hasste es. Auf der Bundesstraße 469, die er gerade mit seinem Jaguar F-Type entlang in Richtung Niedernberg nach Südosten befuhr, stand noch das Wasser vom letzten Regenguss; die morgentliche Sonne spiegelte sich darin und blendete ihn. Außerdem ließ die Sonne die Schlieren auf der Windschutzscheibe erleuchten, diese erschwerten die Sicht zusätzlich. Professor Hammer fluchte kurz und betätigte die Scheibenwaschanlage. Das musste er nun schon zum fünften oder sechsten Mal tun, seit er aus Frankfurt losgefahren war. Der Nieselregen war gerade mal so stark, dass der Wischer im Intervall die Scheibe weiter verschmierte, statt sie sauber zu halten.

„In eintausend Meter rechts abbiegen in Richtung Niedernberg.“

Die sanfte Frauenstimme des Navigationsgeräts gab Professor Hammer kurz die Hoffnung, endlich nicht mehr der Sonne entgegenfahren zu müssen. Doch die Freude hielt nur einige hundert Meter, denn schon ab dem nächsten Kreisverkehr schickte sein Navi ihn wieder in Richtung Südosten. Drei weitere Kreisverkehre, eine Mainbrücke und vier Kilometer später verschwand die Sonne endlich wieder hinter Wolken und der Regen wurde wieder stärker.

„In fünfhundert Meter haben Sie Ihr Ziel erreicht.“

„War ja klar, jetzt, wo die Sonne nicht mehr blendet…“

Markus Hammer hatte in seinem Leben noch jedes seiner Ziele erreicht. Mit Mitte vierzig war er bereits ein renommierter Professor und sehr erfolgreicher Sachbuchautor im Bereich der forensischen Psychiatrie. Mit seinem Expertenwissen hatte er der Polizei schon mehrfach geholfen, gefährliche Gewalttäter zu ermitteln und aufzuspüren. Bisher meistens für das LKA in Wiesbaden, was vermutlich an der regionalen Zusammenarbeit mit der forensischen Psychiatrie der Uniklinik Frankfurt lag. Er war sportlich, gutaussehend, finanziell erfolgreich, und beim LKA so hoch angesehen, dass man ihn nun alleine zu einem Tatort ins benachbarte Bayern schickte. Er sollte überprüfen, ob eine hier gefundene Frauenleiche zu einer Mordserie in Hessen passte.

Und so fuhr er nun auf der Staatsstraße zwischen Sulzbach am Main und Kleinwallstadt den Main entlang. Als Zieladresse gab er Sulzbacher Straße ein, aber das war nicht sein eigentliches Ziel. Es war nur die nächste einstellbare Zieladresse zu der Stelle, die er in relativ langsamer Fahrt auf seiner rechten Seite auszumachen versuchte. Und dann erblickte er das, wonach er Ausschau hielt: Eine Entourage aus Polizeiautos und Polizisten, teils uniformiert, teils komplett in weiß gekleidet. In unmittelbarer Nähe fuhr er rechts auf die Wiese und stieg aus. Ein uniformierter Polizist kam auf ihn zu.

„Fahren Sie bitte weiter. Sie dürfen hier nicht halten.“

„Schon gut“, entgegnete Professor Hammer. „Mein Name ist Markus Hammer, ich bin Professor in Frankfurt. Ihre Kollegen vom LKA aus Wiesbaden haben mich hergeschickt.“

„Lass ihn durch!“

Es war eine Frauenstimme, die von den Bäumen und Büschen am Ufer zu den beiden rüber schallte. Kurz darauf trat auch eine blonde Frau um die dreißig zwischen den Büschen hervor und kam auf die beiden zu.

„Lass ihn durch. Das ist der Experte aus Frankfurt, auf den wir warten. Guten Morgen, Herr Professor, ich bin Kriminalhauptkommissarin Solms. Ich leite hier die Ermittlungen.“

„Kriminalhauptkommissarin?“, fragte Hammer leicht verdutzt. „Markus Hammer, Professor für Psychologie. Freut mich, Sie kennenzulernen.“